Kein Mensch glaubt`s auf Anhieb. Nicht Eishockey, Schlittschuhlaufen, Reiten oder Football ist die beliebteste Sportart Kanadas , sondern Schwimmen! Was wieder einmal beweist, dass das Land alles andere ist als „ ein paar Acker voller Schnee“ , wie Voltaire sich seinerzeit mokierte. Doch vom Sommer soll jetzt nicht die Rede sein, sondern von dem zweitbeliebtesten kanadischen Sport, dem Abfahrts-Skilauf. Das Apres findet hier allerdings kaum statt, und wer auf sowas aus ist, der sollte den Flugpreis sparen und sein Geld in Highballs, Tom Collins oder wenigstens Rüttgers Club während eines immer noch billigeren Alpenurlaubs anlegen. Es geht den Kanadiern und ihren Besuchern wirklich ums Skilaufen statt um Nightlife. „Skiing in Canada“ ist rundum betrachtet wirklich das Beste der Welt!
„Heli-Skiing“ heißt das große Tiefschnee-Erlebnis. Sich von einem Hubschrauber auf zwei-dreitausend Meter hinauftragen lassen und dann durch den stiebenden Pulver zehn, fünfzehn und mehr Kilometer hinunterzuwedeln. Doch da hat inzwischen herbe und berechtigte Kritik eingesetzt. Manche stehen die Prüfung nur mit zitternden Knien durch, es hat schwere Unfälle gegeben. Vor allem beklagen sich die vielen anderen, die Kondition genug haben, auf eigenen Beinen aufzusteigen und die den schrecklichen Lärm der Hubschrauber verfluchen, die Arroganz der urplötzlich aus ihnen hervorwuselnden Touristenpulks. Es wird kommen wie es kommen muss: Das Heli-Skiing wird in absehbarer Zeit wohl auf einzelne, genau umrissene Gebiete beschränkt werden müssen.
Adressen über Veranstalter gibt es bei: Travel Alberta Tourism.
Banff ist der historische Tummelplatz für Bergsteiger und Skifahrer und entsprechend und ausreichend mit Lifts erschlossen. Die langen Abfahrtspisten an Lake Louise , Sunshine Village , Mt.Norquay , vor allem der anderthalb Meilen lange Steilhang des letztgenannten Berges , sind in ganz Nordamerika berühmt, wenn nicht berüchtigt. Aber Banff ist auch etwas für die Cheechakos auf den langen Brettern. Der benachbarte Jasper Nationalpark hat einen nicht viel weniger guten Ruf mit dem Marmot Basin – ebenfalls für Experten und auch für die, die sonst auf dem Idiotenhügel herumrutschen. Die Gebiete von Tod Mountain bei Kamloops , Okanagan Valley mit dem berühmten Pulverschnee, Red Mountain im West Kootenay (die Heimat der Olympiasiegerin Nancy Greee) haben dagegen eher lokale Bedeutung. Anders steht es mit der weiteren Umgebung von Vancouver, mit dem Olympia-Skiort Whistler mit seinen sagenhaften Abfahrtspisten und sicherer Schneelage bis weit in das späte Frühjahr hinein. Grouse Mountain – wenig außerhalb der Stadtgrenze von Vancouver und per Seilbahn zu erreichen – oft noch bis Mai zu empfehlen wenn bereits die ersten Sonnenhungrigen sich am Strand von English Bay einfinden. Ebenfalls am Stadtrand von Vancouver: Cypress und Seymour Mountain , die auch international einen guten Namen haben. Kimberley in den East Kootenays ist noch einen Schritt weitergegangen und hat sich mit falschen Fassaden zu einer Art Potemkinschen Alpendorf a la Oberbayern aufgeplustert. Dabei hätte es solche Verkleidung angesichts der Berge dahinter gar nicht nötig. Doch vergessen wir nicht: Auch Kimberley liegt in Nordamerika, die US-Grenze ist nur 8o km weg, und da findet auch der schlimmste Kitsch mit „isn’t it terrific, isn’t it super“ große Bewunderung.
Wer indessen die wirkliche, grandiose, ungespurte Gebirgs-und Wintereinsamkeit liebt, der sollte sich zu den Purcell oder Selkirk Mountains in B.C. aufmachen.
Denkt einer an kanadische Winter, denkt er auch an Hunde! „Gebt mir Winter , gebt mir Hunde … „ – dieser Wunsch des Grönlandforschers Knud Rasmussen traf in Kanada jahrhundertelang ebenso ins Schwarze wie beim Nachbarn im Osten. Und wo sind sie geblieben, die kleinen, zähen Kraftbündel im Nordwesten, die behäberigen, größeren Fellknäuel im Nordosten? Der Motorschlitten, der Schneeskooter – oder nach dem bekanntesten kanadischen Fabrikat einfach „Skidoo“ genannt – hat die Hundeteams überflüssig gemacht. Sie sind praktisch aus dem kanadischen Winterbild verschwunden.
Einmal im Jahr kommen diese Tiere nochmals in den Blick der Weltöffentlichkeit bei den großen Schlittenhunde – Rennen im Yukon und Alaska. Wer Lust hat mit den Hundeteams unterwegs zu sein, der wendet sich am besten an die Veranstalter in Whitehorse/Yukon oder in Yellowknife/N.W.T.
Lärmende, stinkende, störanfällige Maschinerie statt der individuellen Lebendigkeit einer Hundemeute? Die Wahl fällt leicht, so scheint es. Doch die Skidoos sind so kinderleicht zu bedienen, so simpel zu fahren und so unendlich schnell und praktisch. In der Wildnis ist ein Skidoo ein Nutzfahrzeug, in abgelegenen Siedlungen ohne Straße eine unabdingbare Notwendigkeit. Obendrein ist solch ein Gefährt pflegeleicht- um Welten billiger in Anschaffung und Unterhaltung als ein Hundeteam. Es muss nicht den ganzen Sommer gefüttert werden, nicht im Herbst trainiert und hochgepäppelt und im Winter auf Top-Kondition gehalten werden wie ein Rudel Hunde. Beim ersten Schnee wird der Schlüssel rumgedreht- beim letzten abgezogen, basta.
Es gibt zwar genug Firmen, die solche Schneeskooter vermieten, doch meine Empfehlung ist, sie da zu lassen, wo sie sind. Die kanadischen „Wintersportler“, die glauben , darauf nicht verzichten zu können, sind im Einzugsbereich der großen Städte schon viel zu zahlreich, stören die Umwelt mehr als genug und schädigen sie – direkt und indirekt – mehr als vertretbar ist. Wobei die gestörte Umwelt auch die vierbeinigen Bewohner der Wildnis einzubeziehen sind….
Roland Kiemle